Dienstag, 29. Mai 2018

Unter den Linden ... klebt es



Hören wir "Unter den Linden" sehen wir vor uns die Prachtstraße, die vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz führt. Einstmals war dieser Reiterweg angelegt worden, um das Stadtschloss mit dem Tiergarten, dem Königlichen Jagdrevier, zu verbinden. Prächtige Bauten säumen heute die pulsierende Verkehrsader mitten in der Stadt: die alte Wache, das Kronprinzenpalais, der Dom, die Staatsoper, die Humboldtuniversität, um nur einige zu nennen. 

Am Anfang Iko der Große und am Ende Friedrich der Große
Der in gemäßigten Zonen wachsende Laubbaum galt seit jeher den Germanen und den Slawen als heiliger Baum. In vielen Ortschaften gab es die mächtige Dorflinde, die einen wichtigen Treffpunkt und Versammlungsort anzeigte. Hier fand man sich nicht nur zur Brautschau und zum Maitanz sondern auch zum Thing, der germanischen Gerichtsverhandlung ein, weshalb der Baum auch als Gerichtslinde bekannt ist.

Im Brauchtum ist das Anpflanzen von Friedenslinden bekannt. Nach vielen Kriegen wurden größere Anpflanzungen vorgenommen. Da der Berliner Boulevard nach dem 30jährigen Krieg angelegt wurde, ist wohl anzunehmen, dass die 1000 um 1647 gepflanzten Linden als Friedensbäume gelten sollten.

Es ist also ein bedeutungsträchtiger Baum, diese Linde. Seitdem ich in einem Stadtviertel wohne, in dem viele Linden als Straßenbäume gepflanzt wurden, hat sich mein Blick auf dieses Gewächs etwas getrübt. Nach dem abendlichen Spaziergang ist meine Brille mit winzigen, hart gewordenen Sprenkeln bedeckt, die den Ausblick verschwimmen lassen. Die Sprenkel, die sich nur unter fließendem Wasser abwaschen lassen, stammen vom Honigtau, der in diesen Sommertagen im Übermaß von den Linden herabtropft. Ein lieblicher Name für eine klebrige Substanz, die bei Lichte betrachtet aus den Fäkalien von Blattläusen besteht. Wie viele dieser Plagegeister müssen auf den Bäumen zu Hause sein, um über Wochen das stetige Tropfen zu verursachen? Die Bürgersteige sind so vollgelaufen, dass die Schuhsohlen am Pflaster festkleben. Bei Nacht wundert man sich über laut schmatzende Geräusche auf den Straßen. Es sind junge Leute, die mit ihren Sneaker Gummisohlen besonders gut festkleben und mit jedem Schritt ihre Schuhe der Klebemasse entreißen müssen.



Manch Autofahrer hat ganz sicher Linden-Mordvisionen, denn die Klebe entwickelt phänomenale Haltekräfte auf dem Autolack. Besonders die Mischung von Staub, Pollen und Klebe ergibt eine feste Spachtelmasse, die nur mit der teuersten Autowäsche mit Vorwaschgang zu beseitigen ist. Die Rezeptur dieser Masse sollte man sich für Fälle zu eigen machen, in denen Materialien nicht dort bleiben, wo sie hingehören. Da Parkplätze in der Stadt ohnehin Mangelware sind, ist es der reine Luxus, einen Parkplatz zu finden, der nicht von einem Baum überdacht wird. Man ist also der bösen Seite des Baumes ausgeliefert. Diese hat schon in frühester deutscher Geschichte Unheil gebracht: war es nicht ein klebriges Lindenblatt, dass den unbesiegbaren Siegfried zu Fall brachte?

Trösten wir uns also in den nächsten Wochen mit der Tatsache, dass viele Insekten (eben nicht Läuse, die ihn ausscheiden!) den süßen Saft lieben und die Bienen einen besonders leckeren Honig daraus machen.

Dienstag, 13. Februar 2018

Der Mörder ist immer der Gärtner

Gerade werden in unserem Stadtteil (endlich) nach vielen Jahren der Vernachlässigung die Grünanlagen gepflegt. Nachdem die positive wirtschaftliche Entwicklung Geld in die Stadtkasse gespült hat, bemerkt man ja allseits mit Erschrecken, dass man nicht nur Schulen, die Polizei, Krankenhäuser und Ämter und Behörden an den Rand der Arbeitsfähigkeit gespart, sondern auch  die Stadtentwicklung, den Wohnungsbau, das Wohnklima und die Grünanlagen sträflich vernachlässigt hat.

Nun also sind Gärtnertrupps unterwegs, um den wild gewachsenen Stadtdschungel zu entmüllen und den Pflanzen Luft für Erneuerung zu schaffen. Und schon macht sich bei besorgten Bürgern das Entsetzen breit: Mördertrupps sind schlachtend und verwüstend unterwegs! Sie richten ein Kettensägenmassaker an, verletzen und morden Büsche und Bäume, hacken und rupfen und vernichten Natur auf ewig!


Im letzten Jahr wurde gar eine Initiative erwogen, um die Stadtbäume in der Rykestrasse zu retten. Morodierende Mörderbanden hatten die Pappeln geschändet, amputiert und verstümmelt!

Aber oh Wunder! Nach der schändlichen Tat wuchsen und grünten die Bäume um so schöner! Das Blätterkleid wurde dicht und kräftig grün, die Passanten haben wieder mehr Platz auf dem Gehweg, weil wilde Triebe nicht in alle Richtungen streben. Die Wohnungen der Anlieger bekommen mehr Licht. Die kahlen Stellen am Stamm sind wieder eingegrünt und die Straßenbäume nehmen ihre Aufgaben wieder wahr: aufrecht und gesund repräsentieren sie Stadtnatur und rahmen die Straße hübsch ein.

So wird es denn auch in den jetzt verstümmelten Parks und Grünflächen kommen: durch den radikalen Schnitt werden die Pflanzen zu gesundem Wachstum angeregt. Sie werden im Frühjahr sprießen und grünen und nicht mehr nur eine grüne Fassade sein, hinter der sich trockenes, abgestorbenes Holz und jede Menge Müll verbirgt.

Ich gebe es zu: auch ich bin eine Mörderin! Jedes Jahr schneide ich im Garten meine großartige Ballhortensie bis auf 15cm zurück. Es tut mir doch immer ein bisschen leid, die großen, trockenen Blütendolden und die langen Zweige so derart brutal zu kappen. Aber: die Pflanze dankt es mir mit einem rasanten Wachstum im Frühjahr und einer umwerfenden Blütenpracht im Sommer!

Übrigens macht uns die Natur (dort wo es sie noch ursprünglich gibt) dieses Mördertum vor: Busch- und Waldbrände, Dürren und Überflutungen "vernichten" in jedem Jahr Wälder, Wiesen und Felder. Und auf wundersame Weise wächst alles neu und der Kreislauf beginnt von vorn.

Ich freue mich schon auf dieses Frühjahr, wenn nach Jahren des schwächlichen Dahinkrepelns die Büsche und Bäume in unserem Bezirk grüner und dichter unser Stadtleben verschönern. Hoffentlich fließt weiterhin viel Geld in die Stadtkasse, so dass wir uns auch in den nächsten Jahren über sanierte Schulen und Kindergärten, reparierte Fahrbahnen, saubere Bürgersteige und gepflegte Grünanlagen freuen können. Eine Restunsicherheit bleibt: wissen die wirklich alle, was sie tun? Zweifel sind natürlich angebracht in einer Stadt, die mit dem Bau ihres Flughafens nicht fertig wird und der die Häftlinge in Scharen davon laufen 😁

Montag, 29. Januar 2018

Eine Wendegeschichte- Vom VEB Kulturpark Berlin und einem Hallodri dem der Senat aufsaß

Angrenzend an den Treptower Park an der Spree gelegen zieht sich der Plänterwald bis hin zum Baumschulenweg. Es handelt sich hierbei nicht um einen natürlichen "Ur"wald sondern um einen für die Bewirtschaftung bepflanzten, gemischten Hochwald, dem nach Bedarf Holz entnommen wird und der sich stetig verjüngt. Heute dient der Plänterwald den Bewohnern der Stadtteile Plänterwald, Alt-Treptow und xxx als Naherholungsgebiet. Seine wirtschaftliche Bedeutung hat er verloren.


In den Jahren 1969 bis zur Wende war ein von der DDR angelegter Freizeitpark, der VEB Kulturpark Berlin die Hauptattraktion im Plänterwald. Diverse Fahrgeschäfte, eine Achterbahn, das Riesenrad und weitere Attraktionen zogen jährlich 1,6 Millionen Besucher an.



Mit der Wende begann der langfristige Untergang dieses Vergnügens. Der Schausteller Norbert Witte aus Hamburg bekam die Lizenz für einige Fahrgeschäfte im Park und bewarb sich nach Abwicklung des VEB Kulturpark Berlin um die Übernahme und Weiterführung des gesamten Parks. Die Politik stimmte arglos und ohne weitere Prüfung der Übernahme zu. In Hamburg war der Enkel des Schaustellers und Hochstaplers Otto Witte zu einer Strafe wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. Beim Versuch seine Loopingbahn zu reparieren war deren Teleskopkran auf ein anderes Fahrgeschäft gestürzt, wobei 7 Menschen starben und 15 teils schwer verletzt wurden. Es war bis heute der schwerste Jahrmarktsunfall in Deutschland. Auf deutschen Jahrmärkten war der Schausteller danach nicht gern gesehen.

Nun aber baute Witte den Kulturpark zum Spreepark aus, der zunächst auch gut anlief. Die anfänglich hohen Besucherzahlen ebbten ab und um die Jahrtausendwende musste Insolvenz angemeldet werden. Der Senat hatte mit 20 Millionen gebürgt. Das Vertrauen für die großzügige Unterstützung hatte sich Witte durch sein Engagement in der CDU und Gefälligkeiten wie die Werbung von Mitgliedern (später stellte sich heraus, dass viele hundert dieser "Mitglieder" Karteileichen waren) und das Verteilen von Parteiwerbung durch seine Mitarbeiter erschlichen. So konnte er 2002 mehrere Fahrgeschäfte aus der Konkursmasse abbauen (angeblich zur Reparatur) und heimlich nach Lima verschiffen, wohin er mit seiner Familie flüchtete. Die Stadt blieb auf dem Schuldenberg sitzen. 

Nachdem ein Neustart in Lima nicht gelang sollte es 2003 zurück nach Deutschland gehen. Das Kapital für den Neubeginn in der Heimat sollte mit einem spektakulären Drogenschmuggel finanziert werden. Dieser flog jedoch auf und Witte und sein Sohn wurden zu Haftstrafen verurteilt.


Der Spreepark wurde sich selbst überlassen. Er diente fortan illegalen Parties, als Filmkulisse (z.B. "Wer ist Hanna?" mit Cate Blanchett) und Fotoführungen. Was vom Spreepark übrig blieb verrottet seither. Ein Großfeuer zerstörte einen Teil der Gebäude, das Altenglische Dorf. Das gesamte Gelände soll Arsen verseucht sein. Offenbar hat man zu DDR Zeiten im großem Stil Hochofenschlacke dort entsorgt. 
Was diese aus dem Boden ragenden Rohre wohl auf sich haben?

Was wird nun aus dem Gelände? Ein Schild der Senatsverwaltung kündigt die Sanierung an. What ever that means.