Dienstag, 13. Februar 2018

Der Mörder ist immer der Gärtner

Gerade werden in unserem Stadtteil (endlich) nach vielen Jahren der Vernachlässigung die Grünanlagen gepflegt. Nachdem die positive wirtschaftliche Entwicklung Geld in die Stadtkasse gespült hat, bemerkt man ja allseits mit Erschrecken, dass man nicht nur Schulen, die Polizei, Krankenhäuser und Ämter und Behörden an den Rand der Arbeitsfähigkeit gespart, sondern auch  die Stadtentwicklung, den Wohnungsbau, das Wohnklima und die Grünanlagen sträflich vernachlässigt hat.

Nun also sind Gärtnertrupps unterwegs, um den wild gewachsenen Stadtdschungel zu entmüllen und den Pflanzen Luft für Erneuerung zu schaffen. Und schon macht sich bei besorgten Bürgern das Entsetzen breit: Mördertrupps sind schlachtend und verwüstend unterwegs! Sie richten ein Kettensägenmassaker an, verletzen und morden Büsche und Bäume, hacken und rupfen und vernichten Natur auf ewig!


Im letzten Jahr wurde gar eine Initiative erwogen, um die Stadtbäume in der Rykestrasse zu retten. Morodierende Mörderbanden hatten die Pappeln geschändet, amputiert und verstümmelt!

Aber oh Wunder! Nach der schändlichen Tat wuchsen und grünten die Bäume um so schöner! Das Blätterkleid wurde dicht und kräftig grün, die Passanten haben wieder mehr Platz auf dem Gehweg, weil wilde Triebe nicht in alle Richtungen streben. Die Wohnungen der Anlieger bekommen mehr Licht. Die kahlen Stellen am Stamm sind wieder eingegrünt und die Straßenbäume nehmen ihre Aufgaben wieder wahr: aufrecht und gesund repräsentieren sie Stadtnatur und rahmen die Straße hübsch ein.

So wird es denn auch in den jetzt verstümmelten Parks und Grünflächen kommen: durch den radikalen Schnitt werden die Pflanzen zu gesundem Wachstum angeregt. Sie werden im Frühjahr sprießen und grünen und nicht mehr nur eine grüne Fassade sein, hinter der sich trockenes, abgestorbenes Holz und jede Menge Müll verbirgt.

Ich gebe es zu: auch ich bin eine Mörderin! Jedes Jahr schneide ich im Garten meine großartige Ballhortensie bis auf 15cm zurück. Es tut mir doch immer ein bisschen leid, die großen, trockenen Blütendolden und die langen Zweige so derart brutal zu kappen. Aber: die Pflanze dankt es mir mit einem rasanten Wachstum im Frühjahr und einer umwerfenden Blütenpracht im Sommer!

Übrigens macht uns die Natur (dort wo es sie noch ursprünglich gibt) dieses Mördertum vor: Busch- und Waldbrände, Dürren und Überflutungen "vernichten" in jedem Jahr Wälder, Wiesen und Felder. Und auf wundersame Weise wächst alles neu und der Kreislauf beginnt von vorn.

Ich freue mich schon auf dieses Frühjahr, wenn nach Jahren des schwächlichen Dahinkrepelns die Büsche und Bäume in unserem Bezirk grüner und dichter unser Stadtleben verschönern. Hoffentlich fließt weiterhin viel Geld in die Stadtkasse, so dass wir uns auch in den nächsten Jahren über sanierte Schulen und Kindergärten, reparierte Fahrbahnen, saubere Bürgersteige und gepflegte Grünanlagen freuen können. Eine Restunsicherheit bleibt: wissen die wirklich alle, was sie tun? Zweifel sind natürlich angebracht in einer Stadt, die mit dem Bau ihres Flughafens nicht fertig wird und der die Häftlinge in Scharen davon laufen 😁