Neulich beim abendlichen Hundegang in der Dämmerung sah ich von Weitem einen weißhaarigen Herrn, der etwas in eine der orangenen Abfalltonnen stopfte, die an Pfosten befestigt dafür sorgen, dass der Prenzlberg zum Glänzlberg wird. Als ich näher kam erkannte ich das Unfassbare: er entnahm BÜCHER einer Aktentasche und schmiss sie in den Müll. Welch ein Frevel! Bücher in Gesellschaft von Hundebeuteln, Essensresten, klebrigen Flaschen und anderem unästhetischen Sammelsurium. Einbände und Taschenbücher verschwanden im Takt im Maul des orangen Eimers."Schmeißen Sie etwa Bücher weg?" "Ja" und er zeigte keine Reue. Wenn ich sie haben wolle, gerne. Einbände von Alice Schwarzer, der Herr der Ringe, ein Bildband über Anne Frank und ihre Zeit. Mein Helfersyndrom brauchte nicht lange um die gefaltete Einkaufstasche herauszuholen und zu retten, was zu retten war. Mit dem guten Gefühl wenigstens fünf Bücherleben gerettet zu haben, ging ich weiter meines Weges.
Was mag den Herrn dazu bewogen haben, die Bücher einem so grausames Ende zuzuführen? Sicher, es gibt Situationen, da muss man sich trennen. Auch von Büchern. Aber neben dem üblichen "Entsorgungsweg" des Verschenkens über ein Internetportal, der Abgabe im Sozialkaufhaus oder der Wohlfahrtssammlung, hat sich in unserem Stadtteil ein direkter Weg der Weitergabe entwickelt: die nicht mehr benötigten Bücher und Zeitschriften werden auf einer Mauer oder in einer Kiste an der Strasse abgelegt. Nicht lange und die Bücher finden neue Besitzer. Nicht selten war ich diese neue Besitzerin. Unter anderem gelangte auf diese Weise eine elfbändige Ausgabe von Goethewerken aus dem Jahr 1880 als Schmuckstück auf unserer Kaminumrandung.
Unser Bücherbaum |
Aber auch ein Bücherbaum in unserer Nachbarschaft ist ein gern genutzter Umschlagplatz für Literatur aller Art.
Bitte mitnehmen |
Hoffnungsfroh gehe ich davon aus, das ich vielleicht noch 15-20 Lebensjahre auf Erden wandeln darf. In Büchern gerechnet dürften das so 250 sein. Da muss ich dann schon überlegen, wo ich die unterbringe. Ich hoffe nur, dass das Büchersammeln sich nicht auf anderes ausweitet, was hier so in Berlin gern an den Straßenrand "zum Mitnehmen" hingestellt wird. Hoffentlich werde ich nicht zu so einer der alten Frauen, die mit Plastiktüten bewaffnet in den Status des Jagens und Sammelns zurückfallen und zu Hause vor Gesammeltem nicht mehr durch die Wohnungtür kommen. Aber andererseits: wenn´s mich dann glücklich macht 😃