Vor 9 Monaten war ich zum letzten Mal im Kino. Corona war noch neu und wir hatten keinen Schimmer davon, wie das weitere Jahr 2020 verlaufen würde.
Nun haben wir dieses annus horribilis bald hinter uns gebracht. Obwohl ich seit erwähntem März nicht nur nicht im Kino war, sondern auch einen geplanten Österreichurlaub mit der Familie absagen musste, kein einziges Livekonzert mehr erleben durfte, mein erster Besuch der Bayreuther Festspiele ausfiel, es mir nicht gelungen ist, Eintrittskarten für die wenigen stattfindenden Ausstellungen zu ergattern und unser Sohn seine Hochzeit absagen musste (!), ist es mir über den Sommer hin bis in den Herbst hinein gelungen, mich bei Laune zu halten. Für die Maßnahmen der Regierung habe ich Verständnis aufgebracht und mich nicht meiner Freiheit beraubt gesehen. Das Maske tragen ist mir nur marginal und aushaltbar unangenehm. Auf langen Wanderungen mit meinem Hund, z.T. mit (der erlaubten) netten Begleitung, habe ich viel neues in Berlin und umzu kennengelernt. Der Bücherbaum in unserer Nachbarschaft hat es mir erlaubt, kostenfrei viele Bücher zu lesen und die viele freie Zeit zu füllen. Ein paar Kurzurlaube innerhalb Deutschlands haben mir ein Wiedersehen mit Freunden und schöne Erlebnisse beschert. Mit meinem Mann bin ich 24/7 in unserer kleinen Wohnung zusammen, ohne dass es zu Erschütterungen unserer Beziehung gekommen wäre.
Dem Grunde nach habe ich keinen Anlass zu klagen.
Die im Herbst rasant ansteigenden Infektions- und Todeszahlen sickerten aber auch bei mir langsam ein und begannen mir ein diffuses Unwohlsein zu verursachen. Den jetzigen zweiten Lockdown habe ich schon beinahe herbeigesehnt und auf jeden Fall begrüßt. Ich stelle mich darauf ein, dass das eingefrorene Leben noch mindesten bis zum Frühjahr Bestand haben wird. Und dass nach Weihnachten wegen unvermindert ansteigender Infektionen eine Ausgangssperre verhängt wird.
Hat diese Pandemie mit allen ihren Begleiterscheinungen mich also gar nicht betroffen/ beeinträchtigt?
Doch, mein Leben hat sich nicht nur äußerlich verändert. Auch ich bin nicht mehr die Gleiche. Heute schreibe ich hier seit Monaten das erste Mal. Wo ich doch so gern und begeistert geschrieben habe. Mein Buchprojekt habe ich ebenfalls seit Monaten nicht weiterverfolgt. Die feste Überzeugung, dass mir nichts einfallen wird und ich nicht vorankommen werde, hält mich davon ab, das Manuskript wieder in die Hand zunehmen. Hatte ich bisher immer den missionarischen Eifer, nach der Lektüre eines guten Buches mit einer Rezension in meinem Blog Freunde und andere für den Lesestoff zu begeistern, lese ich jetzt ein Buch nach dem anderen und weiß selbst nach kurzer Zeit schon nicht mehr, wovon die handelten.
Und überhaupt: das Leben ohne Termine, ohne geplante Unternehmungen, mit wenigen Verabredungen und Vorhaben verliert so sehr an Struktur, ist so gleichförmig, dass ich die wenigen Aktiivitäten, die vor mir liegen, am Ende vergesse.
Vergesslichkeit! Okay, stimmt, das war schon immer eine meiner Schwächen. Schon manche skurrile Situation in meinem Leben ist ihr geschuldet. Aber die jetzige Dimension der Vergesslichkeit ist doch auffällig. Erst als Hundi sein Häufchen unterwegs machte fiel mir auf: nicht nur die Beutel vergessen, sondern gleich die ganze Tasche mit Schlüsseln, Telefon und Maske etc. Wem habe ich jetzt eigentlich schon eine Weihnachtskarte geschickt? Kein Plan. Die wenigen Termine (Friseur, Zahnarzt): vergessen!
Für mich ein klarer Fall von Morbus Corona, zu deutsch Corona-Lähme. Ich hoffe, dass wir in 2021 sowohl Corona als auch die Folgesymptome des Lockdowns hinter uns gebracht haben und meine Lähme geheilt wird. Für mich soll es das Jahr des Erinnerns und der Umarmungen werden 💡 ❤