Wenn man aus Hannover nach Berlin gezogen ist, fällt man so manches Mal vom Glauben ab. Wieviel Rücksichtslosigkeit, Frechheit und Dickfälligkeit hier so manches Mal an den Tag gelegt wird, das haut einen in Niedersachsen sozialisierten Menschen schon mal um.
Erste Erfahrungen machte ich gleich mal als mir mein Portemonaie nach 3 Wochen in Berlin aus der Jackentasche geklaut wurde, mich ein Mann auf der Straße anbrüllte, warum ich so einen großen Hund in der Stadt hätte, Fahrradfahrer, die unerlaubterweise auf dem Gehweg rasten mich anpflaumten, weil ich nicht aus dem Weg sprang. Und schließlich ein Nachbar, der schon über Wochen in seiner Wohnung geschimpft und getobt hatte, zunächst mich mit einem Hammer, Steinen und Abfall beschmiss und dann seine ganze Wohnungseinrichtung auf die Straße schmiß. Nette Begegnungen hielten sich also eher in Grenzen.
Aber in den letzten Wochen habe ich sie kennengelernt: die guten Berliner ! Die scheinen einem vor allem dann zu begegnen, wenn man eine älter werdende, vergessliche Frau ist 😁
Die guten Berliner #1
An einem herrlichen Sonnentag, nach einem entspannten Spaziergang durch den wunderschönen Tiergarten holten wir uns vom Burger King ein paar Snacks und setzten uns zum Verzehr auf Parkbänke am Rande des Parks am romantischen Reflektionsbecken. Nach ausgiebigem Genuss entsorgten wir die Verpackungen und gingen zum Auto, als hinter mir eine Frauenstimme rief: " I think he has your bag!"
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Noch wissen wir nicht, was sich hier in 20 Min. abspielen wird |
Als ich mich umdrehte wurde mir schlagartig klar: ich hatte meine Handtasche auf der Bank liegen lassen! Ein junges indisch aussehendes Ehepaar wies in Richtung Tiergarten und rief. "The one with the cap!" Da war die Panik schon in mir hochgestiegen: EC-Karte, Autopapiere, Personalausweis, Führerschein, Impfausweis, mein ganzes Plastikkartendasein war in dieser Tasche. Sofort war mein Alter vergessen, der Lokomotiven-Modus setzte ein, ich rannte dem Baseballcapträger hinterher und stellte ihn. Ein schmächtiges, altes Männchen, offenbar obdachlos oder kurz davor, gemäß seinem ungepflegten Zustand. "Sie haben meine Tasche mitgenommen!" behauptete ich. Er verneinte: "Nix Tasche!" Aber so leicht ließ ich mich nicht abwimmeln. Um mich zu überzeugen öffnete er eine Sportumhängetasche, kramte ein bisschen herum und zeigte mir einen leeren Teil der Tasche. Aber da hatte ich schon längst einen Teil des Umhängeriemens meiner Tasche entdeckt, den er zu verbergen versuchte. Ich entrieß dem Dieb die Tasche und ging mit Puls 150 und Adrenalinspiegel bis zum Anschlag zum Auto zurück, um mich bei den tollen jungen Leuten zu bedanken, die mich auf den Taschendiebstahl aufmerksam gemacht hatten.
Die guten Berliner #2
Wenig später war ich mit Tochter und Enkelchen unterwegs. Die beiden Youngsters auf Rollerblades und ich mit Hund zu Fuß. Wenig später war auch Enkelchen zu Fuß unterwegs und hatte die Blades gegen Sandalen getauscht. Im Bötzowviertel lockte ein Kaffeestand zum Verzehr und wir hockten uns auf ein Sitzbrett in der Sonne, um unsere Getränke zu genießen. Auf dem Heimweg kurz vorm Ziel fiel uns plötzlich auf: keiner von uns hatte darauf geachtet Enkelchens neue, teure Rollerblades mitzunehmen. Also nichts wie Endspurt zum Auto und schnell mit Pferdestärken zum Ort des Geschehens zurück. Wegen einer Baustelle konnte ich nicht direkt zum Kaffeeausschank fahren und ließ die jungen Leute zu Fuß weitergehen. Als ich sie dann nach einer Weile an der Straßenecke aufsammelte fiel mir als erstes auf: keine Blades! Aber auch keine unglücklichen Gesichter??? Aus gutem Grund, wie sich herausstellte. Jemand hatte die Blades an sich genommen und einen Zettel mit Adresse zum Abholen hinterlassen! Innerhalb kürzester Zeit hatte Enkelchen ihre Rollerblades wieder und war glücklich, während das kleine Mädchen in der Finderfamilie traurig war, denn es hatte gehofft, die Blades seien vielleicht doch "Zum Mitnehmen" auf die Straße gestellt worden, wie das in Berlin mit Sachen gemacht wird, die man nicht mehr braucht. Eine wirklich nette Familie hatte uns den Tag gerettet.
Der gute Berliner #3
Neulich morgens fand ich einen Brief im Postkasten: von Ecky mit einem Herzchen davor. Ja, ich kenne einen Ecky, aber der würde kaum ein Herzchen vor seinen Namen malen. Also machte ich den Brief mit Spannung auf. Und fand meinen Impfnachweis vor!!! Den hatte ich noch gar nicht vermisst. Ich glaube letztmalig hatte ich ihn beim Speisen im "Seeblick" vorgezeigt. Wahrscheinlich war er dort liegen geblieben und wurde mir per Post nachgeschickt. Auf Nachfrage stellte sich allerdings heraus, dass es dort weder einen Ecky gibt noch mir der Impfpass von dort nachgeschickt wurde. Schade, jetzt kann ich Ecki gar nicht danken dafür, dass er den wertvollen Pass mit zwei Coronaimpfnachweisen nicht vertickert hat. Wenn Du das hier liest, Ecki: Du bist bist super nett! Wenn mir das aufgemalte Herz auch ein wenig Sorge bereitet hat: ich danke Dir tausend Mal!
Und die Moral von den Geschichten?
Berlin is the place to be - für Leute mit beginnendem Alzheimer!
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