In unserer Familie spielte Sport keine Rolle. Meine älteren Schwestern waren ebenso unsportlich wie meine Eltern. Das Sportinteresse meines Vaters hörte beim Fußballschauen auf der Couch auf. Meistens durch seliges Einschlummern.
Meine früheste Sporterfahrung im Grundschulalter war das
orthopädische Turnen, das mir verordnet wurde. Ein qualvoller Drill an der Turnleiter,
soweit ich mich erinnere.
Einzig gelegentliches Federballspielen im Garten bereitete
mir etwas Freude an Bewegung.
Der Sportunterricht in der Schule war mir eine Qual: alle
schienen gelenkiger und flinker als ich zu sein. Ich lernte schnell allerlei
Ausreden zu finden, um nicht bei den Spielen und Übungen mitmachen zu müssen.
Das wurde mit einem Schlag erleichtert, als ich endlich
meine Mensis bekam. Das war damals ein offizieller Grund nicht am
Sportunterricht teilnehmen zu müssen. Die Mädchen hatten ein kleines Oktavheft,
in dem die Mutter mit Datum und Unterschrift das Ereignis bestätigte. Die
Unterschrift konnte ich mir manches Mal von meiner verschlafenen Mutter des
Frühs erschleichen, manches Mal wurde sie schlicht gefälscht. Die Sportlehrerin
wurde misstrauisch, denn der Zyklus war verdächtig kurz. Sie drohte mir sogar
an, mir die Unterhose herunterzuziehen, um zu prüfen, ob Tante Rosa wirklich zu
Besuch war!
Nach der Schule verschwand der Sport ohne Spuren zu
hinterlassen aus meinem Leben. Später heiratete ich einen sportlichen Mann,
bekam sportliche Kinder und sah allen begeistert beim Basketballspielen, Footbal spielen, Rudern
etc. zu. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, mich meiner Familie
anzuschließen und mich auf ein Spielfeld, in ein Boot oder an ein Sportgerät
zu bewegen.
Mit zunehmendem Alter stellten sich gesundheitliche Probleme
ein, die man mit Fug und Recht mit zu wenig Bewegung und zu gutem Essen in
Verbindung bringen durfte. Sport war aber auch hier keine Lösung für mich. Ich
aß weniger und ging regelmäßig mit unserem Hund spazieren. Das führte zum
gewünschten Ergebnis und dem mittlerweile zweiten „Therapiehund“.
Während ich an der Seite unseres Hundes immer fitter wurde,
beginnt dieser nun mit stolzen zehn Jahren langsamer zu werden. Er schafft zwar
noch das gewünschte Kilometerpensum, aber es dauert Stunden und das langsame
Stop and Go ist zwar mental anstrengend, aber nicht körperlich fordernd.
Im Sommer kam unsere Cousine aus den USA zu Besuch. Sie ist
seit Jahrzehnten begeisterte Tennisspielerin und hat schon 7 Knieoperationen
hinter sich. Ich wusste es immer: Sport ist Mord!!!
Ich berichtete ihr von meinem Wunsch mich körperlich doch
mehr zu betätigen, um die fehlenden Hundegänge auszugleichen. Und dass der
einzige Sport, der mir jemals einen Funken Freude bereitet hatte, das Federballspielen
mit der Mutter im Garten war.
Dann musst Du Pickleball spielen!!!
Davon hatte ich im Leben noch nie gehört! Ich erkundigte
mich im Internet und fand, dass das Spiel ganz interessant aussieht. Es fand
sich ein Verein in Spandau, der Pickleball anbietet und tatsächlich machte ich
mich auf die lange Fahrt dorthin.
Die nette Trainingsleiterin drückte mir einen überdimensionierten Tischtennisschläger und einen sonderbar durchlöcherten Kunststoffball in die Hand (warum eigentlich Pickleball, wenn der Ball wie ein Schweizer Käse aussieht?), wies mir einen kleinen Jungen als Spielpartner zu und erklärte, der Ball muss übers Netz und einmal auf ticken, bevor man ihn zurückspielt.
Das klang nicht nur einfach sondern war es auch und der kleine Lausbub machte sich schnell einen Spaß daraus „Jag´ die Oma“ zu spielen. Aber Oma lernte schnell und hatte großen Spaß am Spiel.
Ich war infiziert! Hier war der Sport, der für mich gemacht war: schnell zu lernen, schnelle Erfolgserlebnisse, nicht zu anstrengend und dennoch körperlich fordernd..
Schon nach dem ersten Training war mir klar: Das ist Liebe auf den ersten Blick!
Inzwischen sind auch zwei Nachbarinnen, denen ich begeistert von meiner Entdeckung berichtet hatte, wie man so schön neudeutsch sagt, „angefixt“. Wir haben mit viel Engagement einen Verein in Wohnortnähe gefunden, bei dem wir eine Pickleball Abteilung gründen konnten und sehen nun einer gelb gelöcherten strahlenden Zukunft entgegen. Meine Kinder sind immer noch ungläubig, dass in unserem Flur nun eine Sporttasche steht und ihre Mutter Hallensport macht.