Vor einigen Tagen war ich mit meiner Enkelin im Roncalli Winterzirkus. Schon immer war ich von Roncalli begeistert und kann mich noch an die Anfangsjahre erinnern. Nun ist meine Enkelin Fan geworden und der Besuch des Weihnachtszirkusses eine Familientradition.
Begeistert haben wir die atemberaubenden Stunts und akrobatischen Leistungen mit glänzenden Augen bestaunt und mit frenetischem Beifall belohnt. Hübsche Menschen in farbenfrohen und phantasievollen Kostümen, sportliche Höchstleistungen, eine fröhliche Atmosphäre, gut gelaunte Zuschauer und bunte Weihnachtsdekorationen. Ein Highlight zum Jahresende.
Nachdem wir Zuhause begeistert berichtet und unsere Fotos betrachtet hatten, kam dann plötzlich die Frage auf: war das eigentlich Zirkus? Artisten, Akrobatik,Musik und Gesang, Clownerie, Show- aber keine Tiere!
Ja, keine Sorge: ich finde es richtig, dass Tieren qualvolle Dressuren und unnätürliche Haltungsbedingungen nicht mehr ertragen müssen. Mein Verstand sagt mir, dass das Tierwohl den Verzicht auf Tiere im Zirkus gebietet.
Getoppt werden konnte dieses Großereignis nur, wenn dann auch noch Tiere ausrissen. So kann ich mich erinnern, dass eines Tages, als die Karawane sich auf unser Haus zubewegte, die Kamele irgendwie erschreckt wurden und eine Stampede entstand. Wie wild geworden rasten die Tiere die Straße hinunter und eine Nachbarin, die aus ihrem nach außen zu öffnenden Fenster blickte, wurde verletzt als ein Kamel so dicht an Haus entlang raste, dass es gegen den Fensterflügel stieß und dieser der Nachbarin ins Gesicht schlug. Ein anderes Mal wurde ein Elefant aggressiv, befreite sich von den Fesseln und tobte durch die Straßen, bevor er sich abregte und wieder eingefangen werden konnte. Das waren Abenteuer der Höchstklasse in meiner Kindheit.
Und dann die Zirkusvorstellung selbst. Auf die noch nicht von zig Fernsehkanälen und digitalen Medien verdorbenen Kinderaugen wirkten die Tierdressuren, insbesondere die der Raubkatzen, wie eine Abenteuerreise in ferne Länder. Pure Magie, wenn der Dompteur die fauchenden und mit den Pfoten schlagenden Großkatzen "bezwang" und ihnen seinen Willen aufnötigte. Kein Gedanke daran, wie sich die Tiere fühlen mögen, minderte den Nervenkitzel. Und dann legt der Dompteur auch noch seinen Kopf in das riesige Maul eines Löwen!
Mit solcher Naivität könnte ich natürlich heute keine Raubtiernummer mehr ansehen. Nach einem Afrikaurlaub sind sogar auch noch so sehr auf artgerechte Haltung ausgerichtete Zoos für mich kaum erträglich. Dieser Zauber aus der Kindheit wird also nur Erinnerung bleiben. Wildtiere im Zirkus sind auch für mich ein no-go.
Und dennoch fehlen mir im Zirkus heute die Tiere. Eine Pferdedressur, ohne gelenkbelastende und gefährliche Kunststücke, einfach nur mit Federdekoration und phantasievollem Zaumzeug, geführt von hübsch kostümierten Artisten. Oder eine Hundedressur! Millionen Menschen scheuchen ihre Fellnasen tagtäglich durch Agilty Parcoure, da muss doch auch eine Zirkusnummer erlaubt sein? Bestimmt ließe sich etwas finden, dass auch im Zirkus mit artgerechter Haltung und dem Tierwohl vereinbar wäre.
Ich liebe den Zirkus Roncalli, ich achte die Entscheidung auf Tierdressuren zu verzichten.
Aber ich vermisse Tiere im Zirkus, sie gehören einfach dazu.