Neulich habe ich über das Landhaus der Familie Goebbels berichtet. Mein heutiger Post nimmt den Faden wieder auf und führt in die jüngere Vergangenheit nach dem Krieg.
Das Anwesen der Goebbels wurde nach dem Krieg zunächst von den Alliierten als Lazarett genutzt und wurde 1946 von den Sowjets an die DDR Regierung zur Nutzung übergeben. Fortan wurde die Villa mit den Nebengebäuden als Ausbildungsstätte für die Freie Deutsche Jugend genutzt.
Zu Beginn der 50er Jahre wurde für das Areal ein neues groß angelegtes Ausbildungszentrum geplant und von den Sowjets maßgeblich finanziert. Im sozialistischen Zuckerbäckerstil wurde eine beinahe schlossartige Anlage errichtet. Mit Sichtachse über eine Parkanlage hinweg stehen sich zwei repräsentative Gebäude gegenüber. Mit Portus, Säulen, Terrasse und Treppenaufgang ist das Lektionsgebäude selbst im verfallenen Zustand noch imposant. Links und rechts davon sind mehrstöckige Internatsgebäude. Man fühlt sich ein wenig an Prachtbauten des 18. und 19. Jahrhunderts erinnert.
Mit der Fertigstellung war die Jugendhochschule Wilhelm Pieck der FDJ war gegründet. 500 Studenten aus allen Teilen Deutschlands, sogar aus Westdeutschland (Kader des Sozialistischen Studentenverbandes und des Spartakusbundes), und später aus sozialistischen "Bruderländern" wurden bis zur Wende hier ausgebildet. Es war ein absolutes Privileg, hier studieren zu dürfen. Die Anlage wurde bewacht und wie ein militärischer Geheimstützpunkt behandelt. Als die Institution noch das Gelände mit Leben füllte, muss man sich schon besonders gefühlt haben, hier dazu zu gehören. Gelehrt wurden die marxistisch-leninistische Philosophie, die ebendiese Politik und die Grundlagen der Weltrevolution. Die Inneneinrichtung war insbesondere für DDR Verhältnisse exklusiv. Im großen Hörsaal konnten die ausländischen Studenten mithilfe der modernsten Simultanübersetzungsanlage den Lehren des wissenschaftlichen Sozialismus lauschen. So modern war die Anlage, dass beim Staatsbesuch des westdeutschen Kanzlers Helmut Schmidt im Jahr 1981 hier die internationale Pressekonferenz abgehalten wurde. Das einzige Mal, dass dieses Heiligtum seine Pforten nach außen geöffnet hat.
Bis zur Wende ging die Jugendhochschule ihrer Bestimmung nach. Anschließend gab es Versuche einer Nachnutzung. Der Internationale Bund für Sozialarbeit mietete das Anwesen an. Nach nur 2 Jahren musste man wegen der hohen Erhaltungs- und Renovierungskosten des zum Teil denkmalgeschützten Ensembles aufgeben. Seitdem verfallen die Bauten und werden lediglich gegen Vandalismus geschützt. Eigentlich ist die Anlage ein Sahnestück und man wundert sich, dass hier noch keine Investoren das Potential erkannt haben. Doch haben sie. etwa 200 Interessenten haben Angebote abgegeben. Aber: zum Gesamtensemble gehört auch das ehemalige Landhaus von Goebbels. Bei einem Verkauf kann höchstens für 10 Jahre eine Nutzungsbindung festgelegt werden. Und da liegt der Hund begraben: kann man sich vor getarnten Nazis schützen, die nach 10 Jahren eine Heldengedenkstätte aus dem Anwesen machen? Nein, nicht wirklich. Und deswegen hat die Stadt Berlin sich entschlossen, das Areal nicht zu verkaufen. Man versucht nun, dass Gelände als Erbpachtgrundstück langfristig zu vermieten. Wir werden sehen!